Am Anfang war das Wort - Wortreich oder Wortgewaltig

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  • Niam
    Redakteur
    • 05.09.2023
    • 118

    Am Anfang war das Wort - Wortreich oder Wortgewaltig

    Worte, nur Worte - NUR WORTE ?

    Ohne Worte kein Satz, ohne Worte keine Sprache und ohne Worte - ob gesprochen, geschrieben oder gebärdet - kann man sich nicht gut verständigen.
    (Obwohl durchaus manche Blicke einen ganzen Satz ersetzen können. )

    Wiewohl etliche Worte für sich alleine stehen und herausstechende Akzente setzen können, wie z.B. Ausrufe wie „Nein!“ „Ja!“..., Ausdrücke von Gefühlen oder Schmerzen „Jahaaa!!!“, „Moment!“ „Autsch?“… oder Befehle „Komm“, „Nimm“, „Lauf!“ die in Verbindung mit einem bestimmten Satzzeichen manchmal noch einen „Extra-Boost“ erhalten, ist doch im Normalfall das Endziel ein Satz.

    Die deutsche Sprache ist besonders reich an Synonymen und so können sehr viele Szenen sehr exakt, und Handlungen bzw. das Geschehen am aktuellen Ort punktgenau und Gedanken, Wünsche Fantasien sehr plastisch beschrieben werden.

    Während es z.B. in einigen Sprachen Sammelbegriffe für eine bestimmte Handlung gibt, die mehrere Bedeutungen umfassen wie z. B. ein gemeinsames Wort für gehen/laufen/bewegen/fahren/ usw. ermöglicht unsere deutsche Sprache viel präzisere Ausdrücke, um zu beschreiben wie sich z. B. jemand von Ort zu Ort bewegt.

    Hier joggen schlendern/schlurfen/humpeln/schleichen/hüpfen/stampfen/… die Figuren mitten auf dem Weg/der Straße/dem Trampelpfad usw. dahin oder sie tuckern/rasen/rollen/poltern mit ihren jeweiligen Fahrzeugen die jeweiligen Fahrbahnen der Straßen/Gassen/Feldwege… entlang.

    Um das perfekt Wort für eine bestimmte Szene zu finden, können Synonymwörterbücher , wie z. B der „Duden – Das Wörterbuch der Synonyme“ oder „Sag es treffender“ aus dem Rororo Verlag und die Synonyme aus dem Internet für Autoren und Texter eine große Hilfe sein.

    Beim Verfassen eines Textes macht eine gewisse Ausgewogenheit die Story erst spannend. Denn „wortreich“ bedeutet nicht automatisch „wortgewaltig“ wobei zu bedenken wäre, dass ausschließlich wortgewaltige Sätze, die zu einem ganzen Roman verbunden wurden, manchmal durchaus auch etwas zu viel des Guten sein können (Wobei - Gedichte Haikus & Co. sind eine ganz andere Geschichte).
    Besonders die Stellen im Satz, an dem die Wörter platziert werden und die Anordnung der Sätze in einem Absatz
    , können deren Wirkung verstärken oder abschwächen und beeinflussen die Aussagekraft einer Szene daher sehr. Und genau das wird, finde ich, von einigen Autoren manchmal vielleicht ein bisschen unterschätzt.

    Dem aufmerksamen (Viel)Leser fällt ins Auge, dass in unterschiedlichen Texten Subjekt und Prädikat gerne an den (Ab-)Satzbeginn gestellt werden. Frei nach dem Motto: „Das Wichtigste zuerst.“ – Das funktioniert auch oft sehr gut. Die gewählte Platzierung der einzelnen Wörter in einem Satz ist ein wichtiges Kriterium, um Interesse zu wecken, Aufmerksamkeit auf den folgenden Text zu lenken, starke, einprägsame Sätze zu gestalten oder aussagekräftige Zitate zu platzieren. (Ganz gal, ob es sich um einen Beschwerdebrief, einen Artikel oder einen Roman handelt. Und wenn die darauffolgenden Sätze dann auch noch aufeinander aufbauen steht einer spannenden Lesezeit meistens nichts mehr im Wege.)
    Manchmal habe ich den Eindruck, gewisse Autoren puzzeln geradezu mit Worten um die einzelnen Wörter und ihre exakten Bedeutungen in die optimalste Reihenfolge zu bringen um ihren Lesern das bestmöglichste Leseerlebnis zu bieten. (Oder vielleicht auch, um den „inneren Perfektionisten, quasi den inneren Monk“ zufriedenzustellen .)
    Es ist oft der berühmte „kleine Unterschied“, der einer Aussage, einer beschriebenen Situation oder einer gestalteten Szene eine ganz bestimmte Bedeutung zuweist. Ein neues oder umgeformtes Wort, eine andere Platzierung, ein hinzugefügtes oder gestrichenes Satzzeichen, oder bei Verben ein aktives oder passives Verb können die Aussage und generelle Stimmung der jeweiligen Szene verändern. Aber auch die Verwendung von Adverbien sollte gut überlegt geschehen um einen Satz ganz bewusst hervorzuheben oder abzuschwächen.

    Eine bestimmte Szene kann auf unterschiedliche Weise gezeigt oder beschrieben werden.
    Je nach dem persönlichen Geschmack, der angesteuerten Stimmung, dem Gefühl beim Leser, das geweckt werden soll, gibt es z.B. bei einem Akt „Hund fällt in den Fluss“ unendlich viele Möglichkeiten. Je nach Schreibstil, gewählten Wörtern, der Länge der Sätze und der Wahl der Satzzeichen kommt die Szene „etwas anders rüber“ und würde vielleicht in ganz unterschiedliche Erzählungen passen. Anbei eine winzig kleine Auswahl an Möglichkeiten, die sich hier bieten und eine Gelegenheit zu entdecken, welche Wörter sich problemos streichen ließen und wo ein weiteres Wort, oder eine "Umplatzierung" der vorhandenen Wörter den Beispieltexten wirklich gut tun würden.

    - Sie spazierte gerade fröhlich am Ufer des Flusses entlang, als sie plötzlich mit großem Schrecken erkannte, dass der Körper ihres herumtobenden Hundes von der Strömung mitgerissen wurde. Entsetzt rief sie: „Hilfe! Er ertrinkt!“

    - „Hilfe! Er ertrinkt!“ rief sie entsetzt, als sie sah, dass ihr plantschender Welpe ins tiefe Wasser geriet und von der Strömung mitgerissen wurde. Sie begann zu rennen.

    - Es war nur ein Moment der Unachtsamkeit - Ihr herumtobender Welpe jagte einem Blatt nach, rutschte ab und kugelte vom steilen Ufer in die reißende Strömung des Flusses. Sie begann zu rennen. Während sie am Ufer entlanghetzte um den strampelnden Hund nicht aus den Augen zu verlieren, kreischte sie immer wieder hysterisch „Hilfe! Er ertrinkt!“

    Jede Szene, lässt sich auf unterschiedlichste Weise verändern, intensivieren oder abschwächen – nach den gewählten Worten, bestimmten Rechtschreibregeln, nach dem eigenen Bauchgefühl, oder mit einer gelungenen Mischung aus allem. Am Ende bewerten immer die Leser, ob man ihrer Ansicht bzw., ihrem Geschmack nach, den „richtigen Ton“ getroffen hat und ob sie die Geschichte „mitzureißen“ vermag.

    Mit Worten spielen macht Spaß und sorgt für so manches AHA- Erlebnis. Es braucht nicht jeder Satz perfekt oder auf den Punkt gebracht sein, aber bei gewissen Szenen ist es nie verkehrt, auch an den einzelnen Sätzen zu feilen. Und je öfter man an Sätzen herumbastelt umso lockerer geht’s dann auch „von der Hand“, habe ich mir sagen lassen.

    Welchen Rat würde ein geübter Autor einem Jungautor beim Thema „Treffende Wörter finden und starke Sätze“ kreieren wohl geben?
    - Wie findet man als Autor die richtigen Worte?
    - Befolgt man Regeln oder hört man auf das Bauchgefühl beim Schreiben? Oder mischt man beides?
    - Wie lange feilt man als Schreiberling und Wortzauberer wohl an den unterschiedlichen Szenen herum – Und wann? Gleich und dann ist‘s gut? Immer wieder einmal? Beim
    Überarbeiten? Alles zusammen?
    - Was braucht mehr Zeit/Energie/Fantasie? Das exakt treffende Wort zu finden, oder den passenden Satz dazu zu kreieren? (Und was macht euch mehr Spaß?)
    - ist es hilfreich Kurse/Workshops oä. zu besuchen oder anderweitige Unterstützung beim „Wortjonglieren“ und „Satzpuzzeln“ zu suchen? Und wenn ja – wo und welche?

    So viele Möglichkeiten so viele unterschiedliche Stile und so viele Meinungen - aber - das letzte Wort ist noch nicht gesprochen , denn es lässt sich immer wieder noch so viel mehr über die offensichtliche und geheime Macht der Wörter erfahren.


  • Aidan
    Moderator
    • 03.09.2023
    • 389

    #2
    Oh, schönes Thema... die Worte. Die Magie der Worte.

    Und wie bei den meisten dieser Fragen geht wohl wieder mal jeder sehr individuell mit den Herausforderungen um, die passende Atmosphäre zu erschaffen. Und hat seinen eigenen Ansatz. Ich antworte mal, was sich für mich bisher bewährt hat.

    - Wie findet man als Autor die richtigen Worte?
    Generell funktioniert es für mich umso besser, umso mehr ich selbst die Szene fühlen und sehen kann. Umso mehr ich mich in die Figuren hineinversetzen kann, in ihr Erleben und ihren ganz subjektiven Filter. Gerade bei emotional sehr herausfordernden Szenen habe ich oft, dass ich sie mir zig mal im inneren Kopfkino abspiele, bis die Worte und die Stimmung da sind. Dann sollte ich sie allerdings auch gleich aufschreiben, sonst ist die Szene weg.
    Wenn mir das passende Wort nicht einfallen will, suche ich ab und zu tatsächlich gleich nach einem Synonym, aber meist lasse es erstmal so stehen, wie es mir gerade in den Sinn gekommen ist. schreibe weiter und gehe am nächsten Tag nochmal ran. Manchmal markiere ich mir auch die Stelle. Weil ich mein Hirn kenne, dass dann gerne bei andere Tätigkeiten darüber nacharbeitet und sinniert und mir dann ganz plötzlich und völlig aus dem Zusammenhang gerissen, den richtigen Ausdruck oder das richtige Wort präsentiert. Die eigentliche Textarbeit fängt bei mir allerdings dann nach dem Rohentwurf an.

    - Befolgt man Regeln oder hört man auf das Bauchgefühl beim Schreiben? Oder mischt man beides?
    Ich bin ja insgesamt eher Bauchschreiber als Planer, wobei immer ein bisschen Plan dabei ist. Für mich persönlich macht es die Mischung aus, wobei Bauch vor Regeln. Wobei ich glaube, dass es gut ist, sich gerade am Anfang stärker an die Regeln zu halten, weil sie das sprachliche Grundwerkzeug sind, und dann, wenn man sie beherrscht, zu variieren und freier auszulegen. Wie bei allem ist es gut, das Werkzeug zu beherrschen und dann anzufangen, zu jonglieren und die Regeln zu brechen. Wobei ich zugeben muss, dass ich die Regeln nicht mehr benennen könnte.

    - Wie lange feilt man als Schreiberling und Wortzauberer wohl an den unterschiedlichen Szenen herum – Und wann? Gleich und dann ist‘s gut? Immer wieder einmal? Beim
    Überarbeiten? Alles zusammen?
    Das ist extrem individuell. Ich kenne Leute, die feilen solange am Satz oder Szene, bis alles passt und sind glücklich damit, mich würde das komplett aus dem Schreibfluss reißen, ich feile lieber hinterher. Und schreibe im Zweifel nochmal die ganze Szene um, wenn sie nicht passt. Ich habe es eine ganze Zeit anders versucht - nicht weiter schreiben, bis die Szene stimmig ist, aber es funktioniert für mich nicht. Oder nur selten. Klar, Schlüsselszenen müssen halbwegs passen, bevor es weiter geht, sonst schreibt man am Ende den halben Roman nochmal neu. Aber manche Szenen funktionieren erst im Gesamtkontext, dann kehre ich dorthin zurück, wenn der Rohentwurf steht.

    - Was braucht mehr Zeit/Energie/Fantasie? Das exakt treffende Wort zu finden, oder den passenden Satz dazu zu kreieren? (Und was macht euch mehr Spaß?)
    Puh, keine Ahnung? Kommt drauf an?

    - ist es hilfreich Kurse/Workshops oä. zu besuchen oder anderweitige Unterstützung beim „Wortjonglieren“ und „Satzpuzzeln“ zu suchen? Und wenn ja – wo und welche?
    Was mir sehr geholfen hat, war das Thema Rhetorik im Deutsch- und im Lateinunterricht. Die wenigsten Stilmittel kann ich noch benennen, ist ja auch schon echt ein paar Jahre her, aber ich habe sie einmal richtig und bewusst kennengelernt und geübt. Und das kann ich tatsächlich sehr empfehlen. Hilft ungemein. Und ansonsten: viel selbst lesen. Querbeet. Es schadet sicher auch nichts, sich wirklich durch Kurse oder Workshops das Handwerkszeug anzueignen.

    Kommentar

    • Katharina Valentina
      Kaffeetrinker
      • 17.09.2024
      • 56

      #3
      Hey super tole Fragen und die ganzen Smileys und deine Art zu schreiben wieder on point

      - Wie findet man als Autor die richtigen Worte?
      Auch bei mir: je genauer ich weiß, worum es geht, desto eher finde ich die richtigen Worte. Wo ist die Figur in ihrer Entwicklung? Welchen Schritt macht sie gerade durch? Wie spiegelt sich das in der Umgebung? Und den anderen Charakteren? Zwischen welchen (falschen) Glaubenssätzen befindet sie sich gerade? Wie nimmt sie alles deshalb war? Was ist der emotionale/äußere/philosophische Konflikt? Was muss passieren, damit die Szene sich weiterentwickelt (innen/außen/beides)?
      Und dann akkumulieren sich ganz viele Dinge, die dann in die Szene einfließen. Dann hab ich das Gefühl, dass etwas "richtig" werden kann.

      - Befolgt man Regeln oder hört man auf das Bauchgefühl beim Schreiben? Oder mischt man beides?
      Auf jeden Fall Beides - mein Bauchgefühl ist "everything everywhere all at once" - ich hab direkt neue Ideen, alles will überall hinspringen, es soll immer irgendwie "anders" sein. Und das passt dann oft einfach nicht. Dann muss ichs neu machen Deshalb für mich: ich plane ganz ganz viel und kann dann bewusst die Kreativität einsetzen, die immer vor sich hin sprudelt.
      Seitdem ich mich als Autorin sehe, versuche ich, das Schreibhandwerk zu lernen. Und auch da gibt es SO VIEL auf das man achten muss. So so viele Regeln, die erstmal sitzen müssen, und dann kann man bewusst damit spielen. Eine Sängerin kann ja auch keine krassen kreativen Riffs singen ohne davor eine gute Atemtechnik gelernt zu haben.

      - Wie lange feilt man als Schreiberling und Wortzauberer wohl an den unterschiedlichen Szenen herum – Und wann? Gleich und dann ist‘s gut? Immer wieder einmal? Beim
      Überarbeiten? Alles zusammen?
      Da hatte ich bisher verschiedene Phasen. Am Anfang hab ich durchs "runterschreiben" die Welt entdeckt - und alles nochmal neu gemacht. 200 von 400 Seiten Exposition ist nicht so gut. In der nächsten Version gabs mehr Klarheit, aber ich war zu unkonkret in den Szenen, einfach weil ich nicht wusste, wie ich die Leser führe. Und wie ich alles so schreibe, dass es so rüberkommt, wie ich will. Bei diesen Versionen bin ich bis zu 7 mal nochmal in die Überarbeitung gegangen. Währenddessen, danach, immer wieder einmal, alles zuammen. Alles. Mittlerweile weiß ich recht genau, was ich will und ich plane alles so detailliert wie möglich. Und siehe da - ich kann ein Kapitel schreiben, das schon in der Rohfassung richtig gut ist.

      - Was braucht mehr Zeit/Energie/Fantasie? Das exakt treffende Wort zu finden, oder den passenden Satz dazu zu kreieren? (Und was macht euch mehr Spaß?)
      Alles

      - ist es hilfreich Kurse/Workshops oä. zu besuchen oder anderweitige Unterstützung beim „Wortjonglieren“ und „Satzpuzzeln“ zu suchen? Und wenn ja – wo und welche?
      Auf jeden Fall!! Woher soll man wissen, was funktioniert? Wie kann man Regeln brechen, wenn man sie nicht kennt? Zu jeder Kunstform gehört im ersten Schritt das Handwerk. Damit kann dann gezaubert werden. Seien es YouTube Videos, Vorlesungen, Schreibkurse, ich würde sagen: mehr ist mehr. Auch ein Feedbackloop ist sehr wichtig, sonst kann man sich nicht verbessern. Sehr viel lesen. Auch Betalesen. Merken, was man selbst gut findet und was nicht (denn ja, manche "Regeln" will man vlt einfach nicht befolgen) - dann kann das im ersten Schritt imitiert werden und im nächsten wird etwas eigenes daraus.

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