"Wiederholungstäter"

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  • Niam
    Redakteur
    • 05.09.2023
    • 121

    "Wiederholungstäter"

    Lieblingswörter, Lieblingssätze, der gemeine Dialektausdruck, und „Spezialworte“

    Egal in welcher Person geschrieben ist - es kann es für den Leser sehr schnell mühsam werden, wenn die Personalpronomen ich, du, er, sie, es, wir, ihr, sie und ihre deklinierten Formen (mich, mir usw.) überhandnehmen.
    Nichts törnt mich als Leser z.B. mehr ab, als Sätze wie:
    Ich strich mir mit meinen Fingern entschlossen meine langen, blonden Haare aus meinem herzförmigen Gesicht, bevor ich meinen neuen Haarreifen aus geflochtenen Silberdraht über meine Stirn schob, der meine dichte Mähne so nun endlich verlässlich aus meinem Gesicht hielt. Währenddessen überlegte ich mir, wie ich meinen Freunden am besten von meinem haarsträubenden Erlebnis in meinem neuen Boot erzählen sollte, denn ich…. “ . Das Ganze geht selbstverständlich auch mit er/ihm oder sie/ihr.
    Bei solchen Sätzen beginnt man unweigerlich die „Ich“ und „meine(n/m)“ zu zählen. Und in manchen Fällen tritt dadurch die Story extrem in den Hintergrund zudem ärgert man sich als Leser sogar in vielen Fällen über die unnötige Anzahl von z. B. ich, mir, meine & CO.


    Verflucht mich, motz mich an - was auch immer ihr wollt - aber als gänzlich untragbar empfinde ich persönlich als Leser die sogenannten „geschlechtsneutralen Pronomen“, die ein flüssiges Lesen (und Textverständnis) - zumindest für mich – nahezu unmöglich machen. Sie reißen mich brutal aus dem Text (dabei ist immer das drängende Gefühl vorrangig, dass es sich bei sier, xier, sif, dey & Co um sich ständig wiederholende Rechtschreibfehler bzw. eine vollkommen andere Sprache handelt) und verderben damit unweigerlich den Lesespaß. Zusätzlich würgen sie (zumindest bei mir) so auch effektiv und nachhaltig das Interesse und die Lust, dieses Buch bzw. zukünftige Texte/Bücher/ Geschichten mit diesem Schreibstil zu lesen, ab , obgleich die Idee der Story eventuell sehr spannend bzw. lesenswert gewesen wäre.)
    Eine der größten Herausforderungen beim Schreiben ist wohl die Kunst des Textstraffens.
    Liebevoll kreierte Worte und kunstvoll drapierte (Ab)Sätze, die man lieb gewonnen hat oder auf die man besonders stolz ist, aus dem Text zu streichen – weil sie keinen wirklichen Mehrwert für die Handlung haben, tut weh. Es ist, als würde man ein liebevoll hochgepäppeltes „Wortkind“ oder kunstvoll gestaltetes „Satzgeflecht“ hartherzig verbannen.


    Wortreiche Szenenbeschreibungen wirken oft langatmig und werden langweilig. Man kann sich eine Szenen nicht besser vorstellen, wenn man jedes Brett und jeden Nagel des Farmhauses, in das sich z.B. die Hauptfigur flüchtet, in Form, Farbe und Platzierungsort genau beschrieben bekommt. – Außer es ist für die Szene an einem späteren Zeitpunkt wichtig, unverzichtbar und vor allem geschichtsrelevant. (Geheimtür/spezieller Fluchtweg, Schwachstelle…) Dann bitte sehr gerne!

    Klar, oft lassen sich Wortwiederholungen nicht vermeiden und manchmal – gezielt eingesetzt - dienen sie als Verstärkung. Die „Zweier oder Dreierkombination“ verwenden wir ja auch automatisch selbst im Alltag.
    Nein, nein, nein! (…Du gehst heute nicht zu…) Soso/ sieh an, sieh an,(sieh an)(…da hast du dir ja etwas Schönes eingebrockt.) Verdammt, verdammt, VERDAMMT!!! (… wie konnte nur so schnell alles den Bach hinuntergehen!)
    Manche Situationen schreien ja geradezu nach solchen Verstärkungen. „Die Dosis macht das Gift“, wie der gute Paracelsus schon sagte – und das ist nicht nur in der Medizin so, sondern auch beim Schreiben.


    Geliebte Phrasen , gerne verwendete Vergleiche und sehr oft gleiche oder sehr ähnliche Satzanfänge können eine Story genauso bremsen, wie reichlich eingesetzte Wortwiederholungen (auf 50 Seiten hat der Autor 110 Mal etwas als „toll“ bezeichnet, bei den Dialogen fast immer sagte/meinte er/sie dazugefügt, oder die Hp jammert, weint oder Tränen kullern fast die ganze Geschichte durch.... usw.) und – gerne übersehene – unbeabsichtigt, immer wieder verwendete „Lieblingswörter“.

    Als Autor ist man in diesem Bereich oft „betriebsblind“ darum sind „Betaleser“ und allenfalls ein Lektorat auch so wichtig. Mit einem unverbrauchten Blick und ohne gefühlsmäßige Bindung an das Werk, lassen sich diese Hemmschuhe wesentlich besser ausmachen. Besonders dann, wenn die „Gegenleser“ sachliche, konstruktive Kritik abliefern und nicht nur – z.B. aus falsch verstandener Loyalität, Freundschaft oder durch das Vermeiden wollen, dem Autor "auf die Zehen zu treten" - davon schwärmen, wie toll der Roman doch geworden ist.

    Es wäre spannend zu erfahren, wie aktive Autoren mit ihren Lieblingswörtern und Phrasen umgehen, und wie sehr sie auf Wortwiederholungen & Co achten – und vor allem wann. Schon von Beginn, an beim Geschichten weben oder wird die Aufmerksamkeit erst beim Überarbeiten auf diesen Bereich gelegt?

    Wie ist es bei euch?
    Habt ihr Lieblingsworte?
    Aussagen, die ihr gerne benutzt? (Ich meine jetzt nicht jene figurentypischen Aussprüche oder Flüche, die quasi als Erkennungsmerkmal gelten.)
    Auf welche leicht zu übersehende Wortgebilde, Phrasen, Zeichensetzungen usw. achtet ihr besonders beim Überarbeiten?


    Ich bin gespannt, welche hilfreichen Tipps und nützlichen Tricks ihr anwendet, um "Gewohnheitsfehler und unnötige Sätze und Worte aufzuspüren, damit aus einem guten Text ein spannender, straffer und ansprechender - im besten Fall einrundum genialer - Text wird.

  • Aidan
    Moderator
    • 03.09.2023
    • 403

    #2
    Oh, oh, schwieriges und wichtiges Thema! Danke dir dafür!

    Ich... habe da so ein paar Dinge... Also... die drei Punkte haben irgendwann mal etwas überdimensionale Ausmaße angenommen, besonders gerne mit einem "ich" davor. Keine Ahnung, da muss mir mal eine Dose mit Punkten umgeflogen sein. Ups...

    Was mir irgendwann selbst aufgefallen war, bei mir wird generell viel "gefühlt" und "gespürt" und das gerne "warm", und ich versuche beim Schreiben direkt aber spätestens bei der Überarbeitung da umzuformulieren. Aber - wenn man das eine "Übel" erkennt und sich drum kümmert, entwickelt sich seltsamerweise schnell eine neue Mode, die dann ausgemerzt werden will. Was man natürlich als positives Zeichen sehen kann, dass sich der Stil weiter entwickelt und sich deshalb halt auch neue Macken einschleichen.

    Ich beschreibe gerne etwas, ich hoffe nicht zu übertrieben, um eine Atmosphäre zu erschaffen. Nicht zu sehr ins Detail, ich zähle weder Nägel noch Bretter, wenn nicht wirklich nötig, aber manche Orte sind wie eigene Charaktere. Bisher gab es diesbezüglich zum Glück keine negativen Rückmeldungen. Aber ich stimme dir zu, dass die Grenze zwischen Atmosphäre und laaaaaangatmiger Details schnell erreicht ist. (Ich will den Schrank/das Mobiliar nicht nachbauen können. Aufbauanleitungen sind literarisch wenig ergiebig.) Auf der anderen Seite fällt es mir schwer Texten zu folgen, die zu "nackt" sind, keine Sinne ansprechen, außer: genau das spiegelt das Thema von Szene/Buch.

    Verflucht mich, motz mich an - was auch immer ihr wollt - aber als gänzlich untragbar empfinde ich persönlich als Leser die sogenannten „geschlechtsneutralen Pronomen“, die ein flüssiges Lesen (und Textverständnis) - zumindest für mich – nahezu unmöglich machen. Sie reißen mich brutal aus dem Text (dabei ist immer das drängende Gefühl vorrangig, dass es sich bei sier, xier, sif, dey & Co um sich ständig wiederholende Rechtschreibfehler bzw. eine vollkommen andere Sprache handelt) und verderben damit unweigerlich den Lesespaß. Zusätzlich würgen sie (zumindest bei mir) so auch effektiv und nachhaltig das Interesse und die Lust, dieses Buch bzw. zukünftige Texte/Bücher/ Geschichten mit diesem Schreibstil zu lesen, ab , obgleich die Idee der Story eventuell sehr spannend bzw. lesenswert gewesen wäre.)
    Nope, nichts davon, weder verfluchen noch anmotzen. Mir geht es genauso. Ich verstehe durchaus den Sinn der Neopronomina, aber ich kann mich nicht dran gewöhnen, egal wie ich es bisher versucht habe. Ähnlich wie ich-Perspektive im Präsenz. Kann ich auch nicht gut haben. Ich würde mir wünschen, es gäbe eine einheitliche (!!!) sinnvolle Lösung, die den Lesefluss nicht stört. Das finde ich im schwedischen so schön einfach - han = er, hon = sie, hen = unbekannt/divers. Und da passt es harmonisch hinein, und wirkt natürlich. (Allerdings passt es auch nach Schweden, eine einfache Lösung diesbezüglich zu haben, die Schweden sind in der Hinsicht echt weiter und entspannter.)

    Es wäre spannend zu erfahren, wie aktive Autoren mit ihren Lieblingswörtern und Phrasen umgehen, und wie sehr sie auf Wortwiederholungen & Co achten – und vor allem wann. Schon von Beginn, an beim Geschichten weben oder wird die Aufmerksamkeit erst beim Überarbeiten auf diesen Bereich gelegt?​
    Wenn es mir auffällt, dann versuche ich es sofort zu verändern oder beim nochmal drüber lesen am nächsten Tag. (Ich lese oft, aber nicht immer, den Text vom Vortag nochmal durch.) Ansonsten ist es vor allem Thema der Überarbeitung. Das wird noch lustig werden.

    Kommentar

    • Araluen
      Moderator
      • 04.09.2023
      • 300

      #3
      Danke für das schöne Thema.

      Wortwiederholungen:
      Ich handhabe das im Großen und Ganzen so: Wenn ich es auf einer Seite mit einem Blick erfassen kann, dann steht mir die Wortwiederholung zu dicht beisammen und gehört überarbeitet. Ausgenommen tatsächlich Personalpronomen. Für mich sind das eher Füllwörter, über die ich drüber hinweglese. Ausgenommen so extreme Beispiele, wie das eindrückliche von dir Da würd ich auch verzweifeln.
      Gerade beim Benennen von Figuren finde ich Wiederholungen auch nicht schlimm. Die Figur heißt nun einmal wie sie heißt. Ich empfinde es da sogar störender sinnlose, teils unfreiwillig komische Umschreibungen zu lesen. Gerade Umschreibungen wie "die Rothaarige" finde ich ganz schlimm. Zum einen sagt die Haarfarbe rein gar nichts über eine Figur aus. Zum Anderen würde niemand so über eine Person denken, warum sollte es also der Erzähler tun, vor allem wenn Erzähler und POV auch noch in Personalunion auftreten? Vor allem tut man das nicht in verkrampfter Kreativität. Meine Freundin ist meine Freundin oder ich nenne sie beim Namen. Niemals würde ich von ihr als die Brünette oder die kleine Frau denken, auch wenn das natürlich eine valide Abwandlung wäre, um Wortwiederholungen zu vermeiden.

      Neopronomen:
      Brauchst keine Angst vor fliegenden Steinen haben. Ich kann das total nachempfinden. Wie Aidan würde auch ich mir für die Deutsche Sprache eine einheitliche Lösung wünschen, welche die Sprache nicht verkompliziert (Sprache wird tendenziell eher einfacher als schwieriger, weshalb das ganze Genderthema sich vermutlich in ein paar Jahren eh erledigt hat). Bisher gibt die Deutsche Sprache das leider nicht her (Schweden ist da auch immer mein Vorzeigebeispiel oder auch das Englische they, was schon seit dem 17. oder 18. Jhd als unbestimmtes Singular verwendet wird) und die Kreativität treibt da wilde Blüten. Das ist, denke ich, normal und gut in dieser Phase. Jeder probiert sich halt aus. Es wird nur schwer einen Konsens zu finden, wenn jeder macht, was er will. Generell finde ich es aber auch nicht schlimm, wenn sich auch Autoren daran ausprobieren, solange es nicht ihre Kernagenda ist, und je nachdem wie gut lesbar und deklinierbar die gewählte Variante ist, auch nicht störend. Personalpronomen sind eh nur Füllmaterial im Text.
      Wie gesagt, glaube ich eh, dass sich das in ein paar Jahren wieder erledigt hat - entweder weil es zu kompliziert ist für den täglichen Sprachgebrauch oder weil man sich doch wieder auf die Sprachwurzeln beruft. Wir werden sehen. Ich kann da übrigens das Buch "Deutsch für Dichter und Denker" von Daniel Scholten empfehlen.

      Meine eigenen guilty pleasures:
      Ich neige dazu Hauptsätze mit und oder auch generell mit Konjunktionen zu verknüpfen, statt einfach mehrere Sätze zu schreiben (neben und sind meine Lieblingskonjunktionen obgleich, trotz und aber). Dabei wird die Lesbarkeit oft einfach besser, wenn die Satzschlange kürzer ist. Lange Sätze machen noch lange keinen guten Stil und auch keinen eloquenten Mein Ziel ist dabei nicht, Hauptsatz an Hauptsatz zu tackern. Es geht um Maß halten.
      Wozu ich auch hier und da neige, ist es Gegenständen Handlung zuschreiben, obwohl es oft viel mehr Sinn macht die handelnden Personen auch tatsächlich handeln zu lassen... statt den Gegenstand

      Wann anpassen?
      Wie Aidan passe ich es an, sobald ich es merke. Aber an sich ist dafür auch Zeit bis zur Bearbeitung.

      Kommentar

      • Katharina Valentina
        Kaffeetrinker
        • 17.09.2024
        • 57

        #4
        Spannende Fragen mit spannenden Antworten!
        Habt ihr Lieblingsworte?
        -> wahrscheinlich eher in Bezug auf bestimmte Charaktere, einfach, wenn sie die Charaktere besonders treffend beschreiben.
        -> oder besonders schöne Beschreibungen von Natur, die das widerspiegelt, was in den Charakteren abgeht. Das macht besonders viel Spaß! (Am Anfang hatte ich immer sehr random Metaphern und Vergleiche drin, einfach, weil es mir Spaß macht, sie zu ziehen. Aber wenn sie Bedeutung haben, wird es erst richtig schön)
        -> oder Neologismen oder Wortspielereien, die ich vor allem bei Kapitelüberschriften erfinde
        Aussagen, die ihr gerne benutzt? (Ich meine jetzt nicht jene figurentypischen Aussprüche oder Flüche, die quasi als Erkennungsmerkmal gelten.)
        ->
        hm, ich glaube nicht. Ich versuche vor allem, sie möglichst viel abzuwechseln. Aber phasenweise treffe ich auf Worte, die etwas gut beschreiben. Dann merke ich, dass ich sie zu oft benutze und suche dann wieder andere Worte und Aussagen dafür.
        Auf welche leicht zu übersehende Wortgebilde, Phrasen, Zeichensetzungen usw. achtet ihr besonders beim Überarbeiten?
        -> tbh: ich arbeite mit Papyrus und achte darauf, möglichst viel Angestrichenes zu lösen. Seien es Wiederholungen, verklebte Sätze, zu viel "wollte, könnte, sollte", Adjektive, etc.
        -> Abgesehen davon habe ich am Anfang vermehrt zu viele Abläufe in einen Satz gebracht und das in der falschen Reihenfolge. Ich achte jetzt sehr darauf, (aber nicht nur beim Überarbeiten sondern auch beim Schreiben) alles nacheinander und lieber in mehreren kurzen Sätzen zu schreiben.
        -> ich schweife auch sehr gerne ab in Beschreibungen und Metaphern

        Wann anpassen?
        -> ich hab mir dieses Jahr angewöhnt, direkt auf so vieles wie möglich zu achten beim Schreiben. War am Anfang anstrengend, jetzt wird es aber schon leichter. Natürlich kann nie ales perfekt sein. Deshalb lese ich es am nächsten Morgen oder am Abend nochmal durch. Und dann natürlich noch ein Durchgang, bevor ich es in Papyrus reinpacke und dann noch ein Durchgang in Papyrus. Aber ich hoffe, dass es mit der Zeit effizienter wird. Momentan gibt es eben noch viele Baustellen in der Sprache

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